Bereits im April 2017 kündigte die beste Lebensgefährtin von allen an, dass möglicherweise bald ein Vierbeiner Teil unserer kleinen Familie werden würde. Und obwohl sich zu dieser Zeit mein Hauptlebensraum etwa 650 Kilometer von dem ihrigen entfernt befand, riet ich ihr seinerzeit dringlichst von diesem Vorhaben ab; dies besonders unter der Prämisse, dass diese Trennung eine vorübergehende sein sollte und eine Wiedervereinigung in wenigen Jahren erfolgen sollte (siehe hierzu auch hier). Doch weder meine Ratschläge noch mein Bitten, von dieser Idee Abstand zu nehmen, hatten genug Gewicht, um sie davon abzuhalten, und so bin ich nun, 7 Jahre später, "Herrchen" eines kleinen und absolut liebenswerten Bolonka Zwetna.
Weshalb aber meine anfängliche Weigerung? Ganz einfach: ich bin kein Typ "Herrchen". Dies bedeutet, dass ich mich nicht in der Lage sehe, einem kleinen und niedlichen Zeitgenossen ein Herrchen im üblichen Sinne des Wortes zu sein. Meine Rolle in dieser Zweisamkeit sehe ich eher in der eines Freundes, eines Kumpels, für den Treue und Respekt keine Einbahnstraßen sind. In einer solchen Gemeinsamkeit kann ich nur einen Sinn erkennen, wenn der kleine Racker den Platz eines vollwertigen Familienmitgliedes einnehmen kann. Jetzt höre ich sie aufstöhnen, die Vorzeige-Herrchen unserer Gesellschaft, die "Sitz-, Platz-, Bei-Fuß-, Fass- und Aus-Brüller". "Ein Hund hat zu gehorchen, und sonst gar nichts!" Solche, ähnliche und noch derbere Rollendefinitionen eines Miteinanders von Hund und Mensch wurden mir bereits angetragen und so mancher meinte, nachdem er mich heimlich bei einer der zahlreichen Runden beobachtet hatte, ich mache mich zum Gespött, indem ich dem Kleinen ein "Mitspracherecht" über die einzuschlagende Richtung unseres Spazierganges einräume.
In meiner Philosophie jedoch ist es meine Aufgabe, dem Freund auf vier Pfoten genau das Maß an Respekt entgegenzubringen, welches ich von ihm auch erwarte. Und das funktioniert! Ein Geschöpf, welches in einer Welt zurechtkommen muss, wo nichts außer dem zugestandenen Schlafplatz und eine entsprechende Futterstelle auf seine anatomischen Möglichkeiten abgestimmt ist, muss sich in den begrenzten Zeitspannen, die wir gerne "ich geh mal eben mit dem Hund" nennen, ausleben können. Und dazu gehört, dass er wenigstens in diesen beschränkten Zeiten ganz seiner Nase nach gehen kann, dass er den Düften und Geräuschen folgen, auch mal wühlen und suchen und, was unser kleiner Dusty besonders gerne und herzerweichend macht, mit einem zwar zurückhaltenden aber nichts desto trotz deutlichen Laut dem von mir gewählten Weg "widersprechen" darf. Er muss gehorchen, ja, das schon. Aber die Erwartung des bedingungslosen Gehorsams ist nur da angebracht und berechtigt, wo es um die Sicherheit aller Beteiligten geht, z.B. im Straßenverkehr. Und das geht auch dann, wenn man dem Tier in allen übrigen Zeiten seinen eigenen Willen lässt.
Diese offensichtlich deutlich von der Norm abweichende Denkweise und damit immer auch Umgangsform mit dem kleinen Vierbeiner war aber nur einer der Gründe, mich anfangs gegen den Lütten auszusprechen.
Aus leidvollen Erfahrungen heraus ist mir eine Schwäche von mir sehr gut bekannt, die sich in einer mangelhaft ausgeprägten Abgrenzungsfähigkeit meinen Schützlingen, ob nun tierischer oder menschlicher Natur, gegenüber zeigt. Wird einem solchen Zeitgenossen irgendein Leid zugefügt, leide ich genauso mit; ist ein solches mir nahestehendes Wesen traurig, werde ich es auch, und wird es von Ängsten gequält muss ich eingreifen, trösten, beruhigen und, wo immer möglich, die Ursachen der Angst beseitigen.
Diese ureigene Einstellung zu einem Miteinander von Mensch und Hund führt mich nicht nur immer wieder in innere Konflikte, sondern leider auch, nicht eben wesentlich seltener, zu Uneinigkeiten und Diskussionen zwischen mir und dem "Frauchen".
Trotzdem oder gerade deshalb möchte ich ihn, den Freund an meiner Seite, nicht mehr missen und sein Mut, seine Tapferkeit, seine überschwängliche Freude, die sich immer wieder bei einer Heimkehr, etwa nach ganztägiger Abwesenheit, in einem nicht enden wollenden Jubellauf durch die Wohnung entlädt, stellen mich in meiner vergleichsweise emotionalen Armseligkeit richtig bloß. Im Zuge dieser überschäumenden Freude wendet er sich dann immer wieder an sein "Frauchen", setzt sich vor sie hin, ganz so, als könne er es beim besten Willen nicht verstehen, weshalb sie sich nicht an seinem Freudentanz beteiligt. Dabei sei in diesem Zusammenhang auch erwähnt, dass der Kleene niemals für einen vollen Tag allein gelassen wird. In Sachen "Alleinlassen" haben wir Zweibeiner uns darauf verständigt, dass Dusty, wenn es gar nicht anders organisiert werden kann, höchstens für etwa 3 Stunden ohne Rudel aushalten muss.
Eine weitere signifikante Änderung in meinem Leben hat sich aus meinem Wissen ob des ausgeprägt guten Gehörsinns eines Hundes ergeben: früher hatte ich gerne mal für eine oder zwei Stunden die Soundanlage aufgedreht und mich mit dieser Hilfsdröhnung der Hausarbeiten angenommen. Die Hausarbeiten finden notwendigerweise noch immer, jedoch, vom Brummen eventuell eingesetzter Geräte abgesehen, in völliger Stille statt. Auch gibt es in unserem Haushalt keine Dauerbeschallung durch Radio, Fernseher oder Musikanlage. Diese Errungenschaften menschlichen Strebens erfüllen bei uns fast ausschließlich die Aufgabe des Staubfangens. Nur wenn der Kleene für seine Gassi-Runden vom Gassi-Service abgeholt wird, was drei Mal pro Woche der Fall ist, erlaube ich mir ab und an, den Feudel oder den Staubsauger im von den Lautsprecherboxen vorgegebenen Rhythmus durch die Wohnung zu treiben. Allerdings immer darauf bedacht, mit den Arbeiten spätestens bis zum Wiedereintreffen des Freundes fertig zu sein. Gelingt dies nicht, finden alle noch nicht beendeten Arbeiten wie gewohnt in behaglicher Stille ihren Abschluss.
Solche Einschränkungen nehmen wir beide gerne in Kauf. Und selbst auf die Gefahr hin, dass der nächste Satz abgedroschen oder reißerisch klingt, muss es gesagt werden: Der Kleene belohnt uns reichlich für unsere Art des Umgangs mit ihm. Allein seine Kreativität bei der Suche nach Möglichkeiten, uns seine Wünsche zu übermitteln zeigt, welches Potential in einem ungebrochenen Hundeköpfchen steckt.
Dusty bestimmt einen großen Teil unseres, oder besser, meines Tagesablaufes, da ich den ganzen Tag zu Hause bin. Dass ein vierbeiniger Lebensgefährte mehr Zeit beansprucht als man sich das vielleicht bei den ersten Anschaffungsüberlegungen vorstellt, überrascht sehr viele Hundebesitzer. Dies führt dann nicht selten zu Frust, der dann wiederum zu entsprechendem Umgang mit dem armen Tier führt. Leider finden sich diese Geschöpfe dann nicht selten in einem Tierheim wieder. Unser kleiner Freund allerdings hat neben wundervollen Ideen, meine Aufmerksamkeit zu erregen, auch glücklicherweise ein ausgeprägtes Ruhebedürfnis. Darüber hinaus legt er gewisse Rituale fest, wie gewisse wiederkehrende Ereignisse abzulaufen haben. Hier ein paar Beispiele: Wecken findet in aller Regel zwischen 6:30 Uhr und 8:00 Uhr statt, wobei es meist ein Vorgang in zwei Stufen ist. In der ersten Stufe kommt der Kleene über eine eigens dafür angeschaffte Hundetreppe in das leerstehende Nebenbett und starrt mich an. Allerdings wird seine Geduld dabei kaum auf eine große Probe gestellt, da ich sehr oft schon seine Vorbereitungsgeräusche - zum Beispiel das tiefe Brummen, welches entsteht, wenn der Kleene sich ordentlich schüttelt - wahrnehme. Auf diese Weise also erhalte ich den ersten Morgenkuss, in welchem im Wesentlichen die Botschaft liegt, dass er sich jetzt noch etwas am Fußende des Nebenbettes ablegt, mich aber demnächst zum Aufstehen auffordern wird. Der "Sprung-auf-marsch-marsch-Befehl" folgt dann meist nach weiteren 45 bis 60 Minuten. Und dann ist auch Schluß mit Lustig, denn dann heißt es Aufstehen und Fertigmachen für die Morgenrunde. Modifikationen an diesem (oder auch jedem anderen) Ablauf liegen ausschließlich im Ermessen unseres Beschützers, und nur er kann bestimmen, ob die eine oder andere Stufe oder auch gesamte Vorgehensweise ausgesetzt oder geändert wird.
Beispiel 2 - Nahrungsaufnahme: Zahlreiche Versuche waren erforderlich, um die richtige Nahrung für den kleinen Dusty zu finden, und das sowohl in der Frage des "Was", des "Wie" und natürlich auch des "Wann". Ich gehe hier nicht näher auf die unterschiedlichen Versuche ein, denn das würde den hier gebotenen Rahmen sprengen. Es sei kurz erwähnt, dass sowohl "BARF", als auch selbstgefertigte Mischungen aus Rohfleisch und Gemüse dabei waren, und dass es für uns zunächst keine Option war, auf Trockenfutter umzusteigen. Doch das eine ist, was wir uns denken und planen, das andere, was Dusty final dazu "sagt"! Heute bieten wir dem Kleinen eine Mischung von zwei verschiedenen Sorten Halbtrockenfutter von PLATINUM an, welches er nun seit mehreren Jahren ganz gern nimmt. Als Leckerli, oder als Belohnung, bekommt er diverse "Snacks" der Firma NATURAVETAL, unter anderem getrockneter Lammpansen, getrocknete Rindfleischstücke oder auch Würfel aus getrockneter Rinderlunge. Damit war endlich und zu unserer großen Freude das "Was" geklärt; geblieben waren die Fragen "Wie" und "Wann". Denn mit dem einfachen Hinstellen eines Napfes mit entsprechendem Inhalt ist dies bei unserem Feinschmecker nicht getan. Eher durch Zufall entdeckte ich die Möglichkeit, die Trockenfutterstücke auf die Spaziergänge mitzunehmen, und da es sich, wie bereits erwähnt, bei Dusty nicht um einen großen Hund handelt, stellte uns diese Möglichkeit auch nicht gerade vor eine logistische Herausforderung. So stellte sich nun heraus, dass unser Kleener Wert auf eine Verköstigung nach Alter-Väter-Sitte legt, also dort, wo die Beschaffung üblicherweise vonstattengeht, wird auch gespeist. Die Beschaffung allerdings legt er dann doch vertrauensvoll in unsere Hände. Das "Wann" fanden wir durch genaue Beobachtung unseres Wegbegleiters heraus. Während des Spazierganges, davon habe ich weiter oben berichtet, macht sich unser Dusty des Öfteren akustisch bemerkbar. Tatsächlich hatten wir am Anfang Schwierigkeiten herauszufinden, was er denn will. Irgendwann konnten wir anhand seiner Körperhaltung während des Bellens verschiedene Ziele zuordnen: Bellen und Absitzen bedeutet "Nicht da lang", Bellen und auffälliges Maulschlecken "Es kann serviert werden".
Zum Schluss noch ein letztes Beispiel für den Erfindungsreichtum unseres Kleenen: Wenn ich am Schreibtisch sitze und arbeite, gibt es für Dusty keine Möglichkeit, seinen magischen Stalker-Blick so in Szene zu setzen, dass ich ihn nicht übersehen kann. Ich weiß nicht, wie lange es gedauert hat, bis er darauf gekommen ist, dass in diesem speziellen Fall der Blick einer akustischen Erweiterung bedarf. Jedenfalls habe ich irgendwann hinter mir kurze Brummlaute wahrgenommen, die im Abstand von 20 bis 30 Sekunden wiederholt wurden. Ein kurzer Blick über die Schulter bot mir dann das Bild eines kleinen Hundes, die Augen fordernd auf mich gerichtet, die Ohren wachsam gestellt. Mein Typ war gefragt!
Das ist Dusty, das sind wir und auf die hier niedergeschriebene Weise gelingt uns dann doch ein recht harmonisches und gleichzeitig spannendes, manchmal auch sehr lustiges Zusammenleben.